Mit Herz und Hingabe: Diakonin Barbara Schink blickt auf 40 Jahre Jugendarbeit zurück

Wenn Barbara Schink dieser Tage auf ihre Jahre im Kirchenkreis Lüneburg zurückschaut, dann geschieht das mit Dankbarkeit – und mit Wehmut. Fast vier Jahrzehnte war sie als Diakonin verantwortlich für Kinder und Jugendliche, nun geht sie in den Ruhestand.

Die Umzugskartons stapeln sich, die Regale werden leerer. Zwischen Stühlen und Ordnern sitzt Barbara Schink in ihrem Büro beim Kirchenkreisjugenddienst Lüneburg. Zum letzten Mal. Vier Jahrzehnte lang war sie hier zuständig für Kinder und Jugendliche, hat Freizeiten geleitet, Juleica-Kurse organisiert, Projekte ins Leben gerufen. Nun geht sie in den Ruhestand. 

„Ich habe ja immer die Kinder und Jugendlichen auf Zeit gehabt. Diese Verantwortung habe ich dann nicht mehr. Einerseits ist das etwas Schönes – aber ich werde es auch vermissen, weil ich das gerne gemacht habe.“

Ihre ersten Schritte machte Barbara Schink als Ehrenamtliche in einer Kirchengemeinde: „Ich bin groß geworden in einer Gemeinde mit ganz viel Arbeit für Kinder und Jugendliche. Schon da durfte ich viel ausprobieren – auch im Kirchenkreisjugenddienst.“ Der Wunsch war klar: Sie wollte Diakonin werden.

Doch der Einstieg war nicht leicht. 1984, nach Studium und Anerkennungsjahr, wurden Stellen gekürzt. „Ich habe dann erst auch erlebt, wie es ist, arbeitslos zu sein. Eine gute Erfahrung, weil ich ja auch mit Menschen zu tun habe, die arbeitslos sind oder waren – ich weiß also, wovon diese sprechen.“ Schließlich bewarb sie sich – und hatte Glück: „Dass der Kirchenkreis Lüneburg damals gesagt hat: ‚Wir möchten Sie‘, hatte sicher auch mit meinen ehrenamtlichen Erfahrungen zu tun.“

„Am Abreisetag auf einmal Kinder weinen zu sehen, die sonst so herb und rau sind – das geht mir echt ans Herz.“
 

Diakonin Barbara Schink

Offendorf – „eine Insel“

Eines ihrer prägenden Projekte begann wenige Monate nach Dienstantritt: das Projekt Offendorf. Schon 1986 leitete sie es zum ersten Mal. „Das war damals eine 14-tägige Freizeit für verschiedene Zielgruppen: für Kinder, die Ferien erleben, für Ehrenamtliche als Teamerinnen und Teamer, für junge Erwachsene in der Küche – und gleichzeitig ein Juleica-Kurs.“
Offendorf wurde ein Ort, an dem vieles möglich war: Kinderwerkstatt, Sanizelt, Theater, Handwerk. „Im Grunde drei Aktionen in einem – Ferien, Begleitung und Ausbildung. Ich habe gemerkt, das ist eine wichtige Sache. Eltern sagten hinterher: ‚Mein Kind kam ganz selbstbewusst zurück.‘ Und Ehrenamtliche erzählten: ‚Da habe ich was fürs Leben gelernt.‘“

Bis heute sprechen Teilnehmende von der „Insel Offendorf“ – einem Ort ohne viel Technik, mit Tagesstruktur und gleichzeitig Freiräumen. „Man darf wer sein, man darf sich ausprobieren. Es gibt keine Zensuren – das ist unheimlich wichtig, auch für Kinder und Jugendliche.“

Es blieben Erlebnisse, die Barbara Schink bewegten: „Am Abreisetag auf einmal Kinder weinen zu sehen, die sonst so herb und rau sind – das geht mir echt ans Herz.“

Die Freizeiten waren aber auch Schule des Lebens – für alle Beteiligten. Schink erzählt von einem Jungen, der Frösche sammelte und in einer Mischung aus Stolz und Trotz einen davon mit einer Gabel aufspießte. „Die anderen Kinder waren geschockt. Für ihn selbst war es wohl ein Ventil. Später meinte er nur trocken: ‚War wohl doch nicht so gut.‘“

Es war nicht der einzige Moment, der Fingerspitzengefühl verlangte. „Wichtig war für mich, dass Konsequenzen wirklich sinnvoll waren. Nicht: Wer etwas Blödes macht, muss abwaschen – denn Abwaschen gehört sowieso zum Alltag. Sondern: zusätzliche Verantwortung übernehmen, etwas anleiten, begleiten. Das ist anstrengender, als man denkt – aber es lohnt sich.“

„Ich bin eher die Leise, nicht die Erste in der Reihe. Aber ich bin verlässlich und beständig. Und ich liebe es, gemeinsam mit Leuten etwas zu entwickeln.“

Diakonin Barbara Schink

Mit Jugendarbeit Generationen verbinden

Über die Jahrzehnte hinweg konnte Barbara Schink sehen, wie nachhaltig Jugendarbeit wirkt. „Viele, die als Kinder dabei waren, haben später ihre eigenen Kinder angemeldet. Andere wurden Teamer, weil sie sagten: ›Das war so wertvoll, das möchte ich weitergeben.‹“

Manchmal veränderte diese Zeit sogar ganze Lebenswege. „Kolleginnen haben mir erzählt, dass Paare bei ihrer Trauung gesagt haben: Unsere schönsten Erlebnisse mit Kirche hatten wir auf den Freizeiten. Darum wollten wir kirchlich heiraten.“

Für Barbara Schink war Glaubensvermittlung nie eine große Inszenierung, sondern Teil des Miteinanders. „Ich bin nicht die, die vorneweg tanzt. Aber wenn jemand kam und sagte: ›Ich habe da eine Frage‹, dann habe ich mich hingesetzt, auch nach Feierabend. Weil ich es wichtig finde, wenn jemand sagt, ich möchte mal reden. Ich habe da mal eine Frage, kannst du mir da was zu sagen? Dann zu sagen, komm, wir setzen uns hin und gucken mal, was sein könnte."

Leise Töne, große Wirkung

Auf die Frage, was sie selbst ausmacht, antwortet sie schlicht: „Ich bin eher die Leise, nicht die Erste in der Reihe. Aber ich bin verlässlich und beständig. Und ich liebe es, gemeinsam mit Leuten etwas zu entwickeln.“

Wer ihr begegnet ist, spürt das: eine Pädagogin, die Spiele aus dem Ärmel schütteln konnte, die gleichzeitig Geduld hatte, genau hinhörte und Räume eröffnete, in denen Kinder und Jugendliche sich ausprobieren durften.
Nun ist diese Zeit zu Ende gegangen. „Dieses Jahr kann ich nicht mehr sagen: ‚Bis nächstes Jahr‘ – das ist wehmütig.“ Ein Satz, gesprochen mit einem leisen Lächeln. „Mit allen Herausforderungen, mit allen Anstrengungen: Ich würde jederzeit diesen Job wieder machen“, resümiert Barbara Schink.

Die Jugendarbeit im Kirchenkreis Lüneburg, so ist sicher, ist ohne sie anders. Aber die Spuren, die sie hinterlässt, werden bleiben – in den Geschichten der Offendorf-Abende, in Theaterszenen, in Juleica-Urkunden, in Familien, die eine Stärkung erfahren haben, und in vielen Menschen, die durch ihre Zeit mit Barbara Schink Kirche als einen lebendigen Ort erlebt haben. Und diese Diakonin hinterlässt mehr als Projekte oder Strukturen: Sie hinterlässt Spuren in Biografien. Spuren in jungen Menschen, die sich getragen fühlten, ernst genommen, gestärkt. Und die manches davon weitergeben – an die Nächsten.

Barbara Schink im Gespräch

Unzählige Kinder und Jugendliche haben durch Barbaras Arbeit in den letzten 40 Jahren Selbstvertrauen gewonnen: „Manche Eltern sagten hinterher: Mensch, mein Kind ist ganz selbstbewusst wiedergekommen, ich kenne es gar nicht wieder. Oder Ehrenamtliche haben erzählt: Da habe ich was fürs Leben gelernt.“

Barbara hat dazu beigetragen, das es Räume gibt, in denen Kinder und Jugendliche frei sein konnten – ohne Zensuren, mit Gemeinschaft, mit Struktur und einem offenen Herzen für alle, auch für die, die „besonders sind“.

„Ich werde ernst genommen und ich werde wahrgenommen.“ – das galt bei den Jugendfreizeiten und auch sonst.

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