Schulpastorin mit Herz: Wie Julia Nikolaus jungen Menschen in der Berufsschule Orientierung und Trost schenkt

Julia Nikolaus ist Schulpastorin an der Berufsschule in Gifhorn – ein Amt, das für sie weit mehr bedeutet als Unterricht zu erteilen. Mit viel Herz und Einfühlungsvermögen begleitet sie junge Menschen nicht nur in ihrem Glauben, sondern auch in persönlichen Krisen und Lebensumbrüchen. In einem interreligiösen und oft herausfordernden Umfelds schafft sie Räume für Trost, Austausch und Orientierung.

„Ganz, ganz großartig. Mir macht das immer noch sehr viel Freude,“ so beschreibt Julia Nikolaus ihre ersten Monate als Schulpastorin an der Berufsschule in Gifhorn. Dabei wäre der Weg dorthin ganz anders verlaufen als ursprünglich geplant. Eigentlich wollte sie Lehrerin werden, studierte Lehramt für Französisch und Religion, wechselte dann aber zum Theologiestudium, um ihre Leidenschaft für Theologie vertieft zu verfolgen.

„Ich habe im Lehramtsstudium gemerkt, dass ich mir Inhalte durch die Lappen gehen, wenn ich nicht Pastorin werde“, erzählt sie. Über ein zusätzliches Sondervikariat spezialisierte sie sich schließlich auf die Arbeit an der Schule – eine lebendige Mischung aus Unterricht und seelsorglicher Begleitung, die ihr heute sehr am Herzen liegt.

„Dieses seelsorgliche Plus, was ich als Pastorin mitbringe, macht wirklich einen Unterschied.“
 

Schulpastorin Julia Nikolaus

Zwei Hüte auf einem Kopf

Eine der größten Herausforderungen ihrer Arbeit sieht Julia Nikolaus darin, „zwei Hüte auf dem Kopf zu haben“. Als Schulpastorin agiert sie an der Schnittstelle zwischen Schule und Kirche. „Zwischen Kirchenkreiskonferenz, Notenbesprechung und Unterrichtsvorbereitung ist man ganz schön viel am Rumwuseln und muss im Kopf klären, was gerade Priorität hat“, beschreibt sie die Komplexität ihres Alltags. Trotz der damit verbundenen Herausforderung wirkt sie begeistert von der Rolle, die sie im Schulalltag übernimmt: „Dieses seelsorgliche Plus, was ich als Pastorin mitbringe, macht wirklich einen Unterschied.“

Begegnung mit Trauer: Raum für Trost und Austausch

Eine besonders prägende Erfahrung war der plötzliche Todesfall eines Schülers kurz nach ihrem Dienstbeginn. „Das war schon wirklich fordernd, weil ich noch am Lernen war und schon in so eine Extremsituation geraten bin“, erinnert sich Julia Nikolaus. Sie beschreibt, wie sie mit ihrer Klasse in einem kleinen, vertrauten Rahmen einen Raum für Trauer geschaffen hat: „Wir haben eine Kerze angezündet, den Platz des Schülers mit Blumen geschmückt und viel über die Gefühle der Mitschüler gesprochen.“ Dabei halfen Fotokarten als Gesprächsöffner, um die Emotionen der Jugendlichen sichtbar zu machen. „Es reicht ganz wenig, um ins Gespräch zu kommen“, sagt sie. Am Ende schrieb die Klasse eine Trauerkarte für die Familie und zeigte so ihre Anteilnahme – ein Moment, der auch sie bewegte.

„Es gibt eigentlich keine rein christlichen Gruppen mehr, sondern auch viele muslimische, jesidische und Jugendliche ohne starken religiösen Hintergrund“

Schulpastorin Julia Nikolaus

Kirche in der Schule erfahrbar machen

Die junge Theologin engagiert sich auch dafür, Kirche für junge Menschen erlebbar zu machen, gerade für jene, die wenig Berührungspunkte damit haben. In einer Exkursion führte sie eine Klassengruppe in die Stadtkirche St. Nikolai in Gifhorn. „Viele Schüler waren noch nie in einer Kirche“, erzählt sie. Die vertrauensvolle Beziehung, die sie in der Klasse aufgebaut hat, ermöglichte „Fragen, die sonst vielleicht nicht so gekommen wären“. Im Unterricht reflektierten die Schüler später, welche Angebote sie sich von der Kirche wünschen würden – von Umweltprojekten bis hin zu sozialen Initiativen. „Diese Energien und Ideen der Schüler sind eine richtig coole Liste, die man in der Kirche abarbeiten könnte“, sagt Julia Nikolaus begeistert.

Die Schülerschaft an der BBS ist sehr vielfältig. „Es gibt eigentlich keine rein christlichen Gruppen mehr, sondern auch viele muslimische, jesidische und Jugendliche ohne starken religiösen Hintergrund“, schildert Nikolaus. Besonders berührend war für sie ein Moment, in dem Schüler verschiedener Religionen ungezwungen über Glaube und Tod ins Gespräch kamen. „Es war schön zu sehen, wie Schüler Interesse am anderen entwickeln und miteinander reden, wo vorher vielleicht keine Berührung war.“ Gleichzeitig gesteht sie: „Ich merke auch, dass ich selbst noch viel lernen muss – gerade im Umgang mit dem Jesidentum, wo meine Ahnung sehr begrenzt ist.“

Religion als Kraftquelle in unsicheren Zeiten

Der Schulalltag ist häufig von Unsicherheit und Lebensumbrüchen geprägt. Schüler:innen stehen vor großen Entscheidungen wie Ausbildungsplatzsuche und beruflicher Orientierung. Julia Nikolaus sieht ihre Rolle darin, gerade in solchen Momenten Orientierung zu bieten: „Religion gibt eine Antwortoption auf Sinnfragen und kann Stärke geben, wenn man belastet ist.“ Auch wenn sie sich wünscht, mehr Zeit zu haben, um weitere Angebote umzusetzen, sieht sie bereits heute einen positiven Ansatz: In der jährlichen Demokratiewoche bringt sie Kirche und Realpolitik zusammen und schafft so wichtige Impulse für die politisch sehr aktive Schülerschaft.

 „Ich bin Religionslehrerin und Schulseelsorgerin zugleich – eine perfekte Mischung aus mindestens zwei Welten.“

Schulpastorin Julia Nikolaus

Ein wichtiges Anliegen von Julia Nikolaus ist, das Bewusstsein für die vielfältigen Facetten von Kirche zu stärken. Viele junge Menschen wissen kaum, was die Kirche neben Gottesdiensten noch leistet – von Bildungsangeboten bis zu sozialen Projekten. Ob bei der Vernetzung mit dem Kirchenkreis, der Zusammenarbeit mit Lehrkräften oder der Integration der Schulpastorin in das Schulleben – Julia Nikolaus sieht viel Potenzial. „Manchmal gerät das Einsatzfeld Schule bei anderen im Kirchenkreis ein bisschen in den Hintergrund. Aber wenn man merkt, dass wir alle mit jungen Leuten zu tun haben, entsteht ein Funke für gemeinsame Projekte.“ Für sie ist klar, dass Schule ein wichtiger Ort kirchlichen Wirkens ist, der noch mehr ins Bewusstsein rücken sollte.

Julia Nikolaus steht für eine lebendige, sichtbare und vielfältige Kirche in der Schule – nah an den Menschen, offen für Fragen und Bedürfnisse und immer bereit, einen Raum zu schaffen für Gespräche, Trost und Gemeinschaft. „Das passt sehr gut, an der Schule zu sein“, sagt sie. „Ich bin Religionslehrerin und Schulseelsorgerin zugleich – eine perfekte Mischung aus mindestens zwei Welten.“

Das macht eine Schulpastorin

Eine Schulpastorin in der Landeskirche Hannovers erteilt an Schulen evangelischen Religionsunterricht und hat damit eine wesentliche Bildungsaufgabe. Sie bietet Seelsorge für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte und gestaltet das religiöse Leben an der Schule durch Gottesdienste oder Andachten aktiv mit. Außerdem engagiert sie sich in schulnaher Jugendarbeit, etwa durch Projekte, Fahrten oder Seminare.

Im Rahmen des Kirchenkreises übernimmt sie regelmäßig Gottesdienste und wirkt an der Vernetzung zwischen Kirche und Schule mit. Die Teilnahme an kirchlichen Konferenzen und die Berichterstattung über die eigene Tätigkeit gehören ebenfalls zum offiziellen Aufgabenspektrum.