„Respekt zeigen – Mut machen“: Ökumenischer Blaulichtgottesdienst thematisiert steigende Herausforderungen von Einsatzkräften

Nachricht 05. November 2025

Blaulicht-Gottesdienst eröffnet zum zweiten Mal den Lüneburger Blaulichttag

Auf den Kirchenbänken von St. Johannis sitzen viele Menschen in Uniformen, die in der kommenden Stunde ein facettenreiches Format aus Gebet, Musik und aufrüttelnden Redebeiträgen erleben werden. Beim ökumenischen Blaulichtgottesdienst in Lüneburg rückten am Sonntag Respekt und Dankbarkeit ins Zentrum – nicht als bloße Begriffe, sondern als erlebte Wirklichkeit und emotionale Herausforderung für Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Bundeswehr und Hilfsdienste.

Unter dem Thema „Respekt“ wurde der Blaulichttag in Lüneburg mit einem besonderen Gottesdienst eröffnet. Es versammelten sich Einsatzkräfte von Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste – darunter auch viele junge Menschen von den Jugendfeuerwehren sowie zahlreiche Gäste, darunter Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und Polizeipräsidentin Kathrin Schuol, um das vielfältige Engagement der Blaulichtfamilie zu würdigen und einen Appell an gesellschaftlichen Respekt in den Mittelpunkt zu stellen.

„Einsatzkräfte beklagen, dass manchmal die Respektlosigkeit überhandnimmt: Rettungsgassen werden ignoriert, verletzte Menschen werden fotografiert, die Helfer an den Einsatzstellen behindert – und in schlimmen Fällen sogar mit Gewalt konfrontiert.“

Marcus Christ, Leiter des kirchlichen Dienstes in Polizei und Zoll

Erfahrungen, die verbinden

„Respekt heißt für mich, genau hinzuschauen und innezuhalten“, eröffnete Pastor Marcus Christ, Leiter des kirchlichen Dienstes in Polizei und Zoll, den ökumenischen Blaulichtgottesdienst am Sonntag in der St.-Johanniskirche in Lüneburg. Das lateinische Wort respectu  bedeutet Rückschau oder Betrachtung – genau dieses Nachdenken um Wertschätzung und Achtung zog sich wie ein roter Faden durch den Gottesdienst, der ganz im Zeichen der Einsatzkräfte aus Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Verwaltung stand.

Zwischen Hass und Wertschätzung – Stimmen aus dem Einsatzalltag

Seelsorger Christ brachte die Herausforderungen gleich zu Beginn auf den Punkt: „Einsatzkräfte beklagen, dass manchmal die Respektlosigkeit überhandnimmt: Rettungsgassen werden ignoriert, verletzte Menschen werden fotografiert, die Helfer an den Einsatzstellen behindert – und in schlimmen Fällen sogar mit Gewalt konfrontiert.“

Gleichzeitig forderte er die Einsatzkräfte auch zu gegenseitigem Respekt auf: „Polizistinnen und Polizisten müssen das Gesetz mit Respekt vertreten, Feuerwehrleute sollten das Eigentum Geschädigter achten, und Rettungsdienstmitarbeiter müssen die Würde der Patientinnen und Patienten bewahren“.

„Dass dieser junge Mann, unmittelbar nach dem Schicksalsschlag, noch Danke sagen konnte, das werde ich nie vergessen.“

Julia Graefe, Polizeibeamtin

Wie viel diese beiden Seiten im Alltag bedeuten, machten eindringliche Erfahrungsberichte und Statements deutlich, die von hohem Respekt und Dankbarkeit geprägt waren. Marcus Christ verlies die Schilderung eines Einsatzes von Polizeibeamtin Julia Graefe, die gemeinsam mit einem Kollegen einen tödlichen Arbeitsunfall aufnehmen musste: „Wir standen Seite an Seite, haben alles versucht, um ein Leben zu retten. Was bleibt, ist vor allem die Dankbarkeit und der Respekt füreinander: Das weiß man besonders zu schätzen, wenn man gesehen und aufgefangen wird – von Kolleginnen, von Vorgesetzten, von den Menschen, denen wir helfen.“ Beeindruckt zeigte sie sich von einer Begegnung mit dem Sohn eines Opfers: „Dass dieser junge Mann, unmittelbar nach dem Schicksalsschlag, noch Danke sagen konnte, das werde ich nie vergessen.“

Daneben berichteten auch drei weitere Zeugen aus eigener Erfahrung von Unglückssituationen und der Menschlichkeit, die ihnen entgegengebracht wurde. Die Lüneburger Hendrik Schellmann und Bea Bauerfeind-Johnson sind beide Opfer je eines Haus- und Wohnungsbrandes gewesen. Auf sehr berührende Weise schilderten sie, wie der Brand von Feuerwehrleuten nicht nur professionell, sondern auch mit großer Achtsamkeit und Empathie gelöscht wurde. Sie betonten, wie wichtig gerade die kleinen Gesten sind, die inmitten von chaosreichen Situationen Hoffnung schenken und das Vertrauen stärken. Ihre Erzählungen machten spürbar, wie stark die Einsatzkräfte in ihrer Arbeit präsent sind – nicht nur als Helfende, sondern als mitmenschliche Begleiter in einer dramatischen Ausnahmesituation.

"Im christlichen Sinn ist das Nächstenliebe – leise, stark, echt. Respekt heißt: Ich sehe den anderen als Menschen, nicht als Gegner. Mit Achtung und Dankbarkeit, dass sich einer auf den anderen verlassen kann, wenn es drauf ankommt."

Regionalbischöfin Marianne Gorka

Doch nicht nur positive Rückmeldungen begleiten den Dienstalltag. Negative Kommentare gegenüber Einsatzkräften aus Lüneburg in den sozialen Medien wurden zu Beginn offen verlesen – darunter Hassbotschaften, die die Gemeinde schockierten. Umso wichtiger, so ein Landwirt in seinem Statement, „dass Polizistinnen und Polizisten weiter Aufklärungsarbeit leisten und die Sicherheit aufrechterhalten, damit Menschen wie ich sich auf den Straßen sicher fühlen können.“

„Ich sehe dich - Respekt gehört beiden Seiten“

Regionalbischöfin Marianne Gorka betonte in ihrer Dialogpredigt mit Dechant Carsten Menges den tiefen Sinn von Respekt im Einsatzalltag: „Respekt heißt: Ich sehe dich. Ich nehme dich ernst. Ich achte dein Leben, deine Grenzen, deine Würde.“ Sie machte deutlich, dass dieser Respekt eine Kraftquelle für Einsatzkräfte sei, besonders in Momenten von Unsicherheit und Angst; „Es geht nicht darum, keine Angst mehr zu haben, sondern darum, zu wissen: Ich bin in diesem Moment nicht allein.“

Dechant Menges ergänzte: „Respekt ist ein großes Wort, das in den Blaulichtdiensten täglich gelebt wird – und manchmal auch schmerzlich vermisst wird. Respekt heißt hier, sich aufeinander verlassen zu können, Hierarchien zu achten und sich ernst zu nehmen, auch wenn es hektisch wird.“ Er erinnerte daran, dass Einsatzkräfte von außen oft mit Respektlosigkeit konfrontiert sind und trotz allem mit Ruhe und Hilfsbereitschaft reagieren.

Fürbitten, Kerzenkreuz und gesellschaftlicher Auftrag

Die liturgischen Elemente setzten darüber hinaus starke Akzente: Persönliche Fürbitten von Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch, der Polizeipräsidentin Kathrin Schuol und Kreisbrandmeister Matthias Lanius baten um Kraft, Besonnenheit und ein gutes Miteinander – unter Einsatzkräften und in der ganzen Stadt. „Hilf uns im respektvollen Umgang mit allen Menschen. Behüte unsere Blaulichtfamilie – bitte gib ihr Kraft, Mut und Erfolg bei allen Einsätzen“, sagte Kalisch. 

Polizeipräsidentin Kathrin Schuol ergänzte: „Barmherziger Gott, wir bitten dich für alle, die sich auf den Weg machen, um Menschen in Not zu helfen. Für die Frauen und Männer in Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst, für die Angehörigen der verschiedensten Hilfsorganisationen. Und auch für diejenigen, die im Hintergrund Dienst tun. In den Leitstellen, den Verwaltungen oder sonstigen Stellen.“

Nach dem gemeinsamen Austausch besuchten Regionalbischöfin Marianne Gorka, Dechant Carsten Menges, Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch sowie Polizeipräsidentin Kathrin Schuol Vertreter:innen von Blaulichtkräften an ihren Ständen Am Sande und am Marktplatz und nutzten die Gelegenheit für persönliche Gespräche und Würdigung des täglichen Einsatzes dieser so wichtigen Personen. 

Ziel des Gottesdienstes war es zu zeigen, wie wichtig gegenseitiger Respekt und Anerkennung im Blaulichtalltag sind – als Schutzschirm und als Fundament für ein starkes Miteinander auch in Extremsituationen. 

In einer Dialogpredigt mit Dechant Carsten Menges würdigte Regionalbischöfin Marianne Gorka den Einsatz der Blaulichtkräfte. (Foto: Mathias Mensch)

Über den Blaulicht-Gottesdienst:

Der Ökumenische Blaulicht-Gottesdienst wird jährlich gefeiert und soll ein Ort der Wertschätzung und des Dankes für alle Blaulicht-Teams sein. Das Format eröffnet inzwischen den Blaulichttag, der in Lüneburg zu einer wichtigen Tradition geworden ist, die Menschen im Einsatz für die Gesellschaft sichtbar zu machen und zu unterstützen.

Pastor Bernd Paul ist seit 2006 Beauftragter für die Notfallseelsorge im Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg und seit 2012 auch für den Sprengel Lüneburg.

Interview mit Notfallseelsorger Bernd Paul

Wenn das Unerwartete eintritt, bleibt oft kaum Zeit zum Atmen. Gerade dann ist jemand gefragt, der inmitten von Chaos und Schmerz Halt und Orientierung bietet. Pastor Bernd Paul aus dem Wendland nimmt diese Rolle ernst – als Notfallseelsorger begleitet er Menschen in den dunkelsten Stunden ihres Lebens.

Lesen Sie hier das Interview mit ihm.

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