Manchmal passiert es, dass sich ein Kind an Marina Schütt anheftet, wenn sie in den Schulen hospitiert.
„Wo gehen Sie denn hin?“
„Ich will mal zu eurem Insektenhotel gehen.“
„So was haben wir?“
„Komm‘, ich zeig‘ es Dir. Kennst Du die, die da rumfliegt?“
„Nein.“
„Das ist eine wunderschöne Wespe.“
„Und ich bin Manuel, Du darfst mich Manni nennen.“
Wenn Kinder so sind, habe sie Freude an ihrer Arbeit, sagt Marina Schütt. In jeder ‚ihrer‘ Ganztagsschulen hat sie im Laufe der 15 Jahre, die sie die Ganztagsschulerziehung des Kirchenkreis aufgebaut und weiterentwickelt hat, jedes Jahr eine Woche hospitiert. Fünf Schulen in Wolfsburg und Umgebung betreut das Team um die 65jährige Sozialpädagogin aktuell.
Und Jungs wie Manni hätten möglicherweise im Leben schlechtere Karten ohne diese engagierte Arbeit. „Wir haben ihn am Nachmittag gestärkt. Ein Jahr davor war das ein anderer Junge.“ Der Viertklässler, der eigentlich freundlich und hilfsbereit ist, zeigte sich häufig aggressiv, störte penetrant den Sitzkreis. Das gehört der Vergangenheit an. „Wenn ich sowas sehe, bin ich begeistert. Da machen unsere Kolleg:innen richtig gute Arbeit.“
Ein toller Junge
Manni kann nicht gut rechnen. Er kann nicht gut lesen und schreiben auch nicht. „Das wird er nicht lernen. Er kann es nicht. Aber er kann ein total wichtiges Mitglied unserer Gesellschaft werden. Ein toller Junge ist das.“ Wie viele andere Kinder macht er aber in der Schule ständig die Erfahrung: Ich genüge nicht. „Dem System genügt er ja auch nicht. Aber wir brauchen all diese Menschen. Wir brauchen Menschen, die Handwerker werden, Köchin oder Verkäufer. Und wenn sie das dann mit Herzblut tun, ist das doch super. Dann sind sie doch glücklich!“
Depressionen bei Kindern
Marina Schütt guckt auf das individuelle Kind. „Denen wird heutzutage ein Trichter auf den Kopf gesetzt und da kommt alles rein. Und leider werden dabei Kinder bereits in der vierten Klasse depressiv, weil sie sehen, dass ihre Noten wahrscheinlich nicht fürs Gymnasium reichen werden.“ Wertschätzung und Anerkennung, positive Verstärkung, alles notwendige Voraussetzungen für gutes, nachhaltiges Lernen, fehlten heute. Und nicht nur Grundschüler werden depressiv, auch junge Menschen zu Beginn ihres Studiums seien das oftmals, so eine aktuelle Studie.