Missbrauch: Aufarbeitungskommission und Landeskirche stellen Abschlussbericht zu Vorwürfen gegen verstorbenen Pastor Klaus Vollmer vor

Pressemitteilung 24. Juni 2025

Gegen den 2011 verstorbenen Pastor Klaus Vollmer aus Hermannsburg gibt es den Vorwurf, er habe als Leiter einer von ihm gegründeten geistlichen Gemeinschaft („Bruderschaft“) seine Macht für sexuelle Beziehungen zu deren Mitgliedern missbraucht und an minderjährigen Personen mehrfach sexualisierte Gewalt ausgeübt.

Hannover, 24. Juni 2025

Im Februar 2022 hatte das Kollegium des Landeskirchenamts unter Vorsitz von Landesbischof Ralf Meister beschlossen, eine unabhängige Aufarbeitungskommission zu beauftragen, die das Handeln von Klaus Vollmer als Pastor der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und die aufsichtliche Begleitung durch die Landeskirche untersuchen soll. Diese Kommission hatte zum 15.10.2022 ihre Arbeit aufgenommen. 

Am Dienstag, den 24.06.2025 hat die Aufarbeitungskommission ihren Abschlussbericht in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Landeskirche der Öffentlichkeit vorgestellt.

Auftrag zur umfassenden Aufklärung

Den Aufarbeitungsbericht sowie Statements von leitenden Personen aus der Landeskirche können Sie hier abrufen. Auf dieser Internetseite finden Sie auch eine Verlinkung zu einem Filmmitschnitt der Vorstellung des Berichts durch die Kommission. Ebenso können Sie hier weitere Informationen herunterladen, die die Landeskirche im Zusammenhang mit dem Aufarbeitungsbericht zur Verfügung stellt.

"Das Bild von Pastor Klaus Vollmer muss korrigiert werden. Er hat nachweislich sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch begangen. Die Landeskirche hat die Bedeutung dieses Aufarbeitungsfalls zunächst unterschätzt und zu zögerlich gehandelt.“

Dr. Georg Gebhardt, Vizepräsident des Landgerichts Hildesheim und Mitglied der Aufarbeitungskommission

Für die Aufarbeitungskommission sagte Dr. Georg Gebhardt,  Vizepräsident des Landgerichts Hildesheim: "Das Bild von Pastor Klaus Vollmer muss korrigiert werden. Er hat nachweislich sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch begangen. Die Landeskirche hat die Bedeutung dieses Aufarbeitungsfalls zunächst unterschätzt und zu zögerlich gehandelt.“

Landeskirche entschuldigt sich und kündigt Konsequenzen an

Landesbischof Ralf Meister sagte: ”Der vorliegende Aufarbeitungsbericht führt vor Augen, wie tief sexualisierte Gewalt, spirituelle Gewalt, Machtmissbrauch in unseren Strukturen verankert sind. Klaus Vollmer konnte unter dem Dach der Landeskirche mit seiner Gemeinschaft als ein „Staat im Staate“ und unter Berufung auf eine fahrlässige und fehlgeleitete Theologie Grenzüberschreitungen, Missbrauch und Gewalt verüben. Ich bitte im Namen der Landeskirche betroffene Personen um Entschuldigung. Wo das möglich ist, werde ich das auch im direkten Kontakt tun. Als ich 2022 von diesen Vorgängen erfuhr, haben wir danach unmittelbar externe Vorermittlungen für ein Disziplinarverfahren in Auftrag gegeben, weil Informationen nicht weitergegeben worden sind und wenn, dann unvollständig. Und es gab den Beschluss für ein externes Aufarbeitungsvorhaben, das über die erste Untersuchung der Geschwisterschaft hinausgeht. Wir sehen es als unsere Pflicht, eine Kirche zu schaffen, in der Menschen sichere Räume finden.“

Ziel: langfristige, tragfähige Strukturen und attraktive Arbeitsplätze

Dr. Jens Lehmann, Präsident des Landeskirchenamtes, sagte: “Wir wollen die institutionelle Aufarbeitung von Ursachen und Folgen sexualisierter Gewalt, die, so in diesem Fall, auch mit geistlicher Gewalt einhergeht. Wir wollen dies, um der betroffenen Personen willen, um der Aufklärung von möglichen Straftaten und um der künftigen Prävention willen.”

Kritische Selbstreflexion und Hilfsangebote für Betroffene

Regionalbischöfin Marianne Gorka im Sprengel Lüneburg, zu dem auch das Evangelische Missionswerk Hermannsburg - eine Wirkungsstätte Klaus Vollmers gehört- verweist auf die Notwendigkeit kritischer Wachsamkeit innerhalb kirchlicher Strukturen: „Unsere christlich-lutherische Theologie ist eine der Freiheit – sie dient der Mündigkeit, nicht der Abhängigkeit. Charismatische Persönlichkeiten dürfen nicht unhinterfragt idealisiert werden. Gerade da, wo Menschen geistliche Autorität zugesprochen bekommen, braucht es eine kritische Selbstreflexion – und eine kirchliche Kultur, die Widerspruch zulässt und Schattenseiten nicht ausblendet. Die Aufarbeitung muss uns alle lehren, genauer hinzuschauen: in der Ausbildung, in der Begleitung von Diensten, bei der Ausübung von diakonischer Arbeit, bei Visitationen – und überall dort, wo Kirche gelebt wird.“

"Charismatische Persönlichkeiten dürfen nicht unhinterfragt idealisiert werden. Gerade da, wo Menschen geistliche Autorität zugesprochen bekommen, braucht es eine kritische Selbstreflexion – und eine kirchliche Kultur, die Widerspruch zulässt und Schattenseiten nicht ausblendet. Die Aufarbeitung muss uns alle lehren, genauer hinzuschauen."

Regionalbischöfin Marianne Gorka

Die Landeskirche bittet in Fällen sexualisierter Gewalt betroffene Personen, sich bei nicht-kirchlichen Fachstellen, der Zentralen Anlaufstelle „help“ oder bei der landeskirchlichen Fachstelle Sexualisierte Gewalt oder bei der Polizei zu melden. Diese Bitte gilt auch für all jene, die Zeuginnen oder Zeugen sexueller Übergriffe geworden sind oder Verdachtsmomente wahrgenommen haben. Rund um die Veröffentlichung der Ergebnisse dieses Aufarbeitungsberichts gibt es auf der Internetseite der Fachstelle weitere Kontaktangebote

Den vollständigen Aufarbeitungsbericht und weitere Informationen sowie Statements finden Sie hier.

alle aktuellen Infos zur Vollmer-Studie

Über Klaus Vollmer

Klaus Vollmer (1930–2011) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, Pastor und Evangelist, der in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers wirkte. Nach einer Ausbildung als Maschinenschlosser entschied er sich für den kirchlichen Dienst und wurde 1962 ordiniert. Ab 1958 arbeitete er zunächst im Amt für Missionarische Dienste der Landeskirche, später als Evangelist im Reisedienst und in der Volksmission, insbesondere in Hermannsburg.

Vollmer war bekannt für seine charismatische Persönlichkeit und seine Fähigkeit, Menschen – vor allem junge Erwachsene – für den Glauben zu begeistern und zu gewinnen. 1977 gründete er die Bruderschaft „Kleine Brüder vom Kreuz“, aus der später die „Evangelische Geschwisterschaft e.V.“ hervorging, mit Sitz auf Hof Beutzen bei Hermannsburg. In dieser Gemeinschaft nahm er eine zentrale, machtvoll geprägte Rolle ein und prägte durch seine Spiritualität und Lehre viele Mitglieder.

Nach seinem Tod wurden Vorwürfe bekannt, dass Vollmer seine Position als geistlicher Leiter und Seelsorger über Jahrzehnte hinweg für sexuelle Kontakte und Übergriffe gegenüber Mitgliedern der Gemeinschaft, darunter mindestens zwei Minderjährige, missbraucht hat. Die Aufarbeitungskommission der Landeskirche bestätigte schwere Amtspflichtverletzungen und geistlichen Missbrauch durch Vollmer, was zu einer grundlegenden Neubewertung seines Wirkens führte

Wo gibt es Hilfe?

In der Arbeit zum Schutz vor sexualisierter Gewalt sind die leitenden Prinzipien der Landeskirche Hannovers Null Toleranz gegenüber den Taten und Transparenz bei der Aufarbeitung. Die Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche Hannovers unterstützt bei der Umsetzung dieser Grundsätze. Sie ist eine Anlaufstelle für betroffene Personen, deren Angehörige und Zeugen sexualisierter Gewalt.

Die Fachstelle bietet Beratung, Begleitung und Unterstützung an. Die Landeskirche hat ein System zur Prävention, Intervention und Hilfe in Fällen sexualisierter Gewalt aufgebaut und die Grundsätze für die Prävention, Intervention, Hilfe und Aufarbeitung in Fällen sexualisierter Gewalt entwickelt, die als verbindliche Grundlage für die Arbeit in allen kirchlichen Einrichtungen gelten.

Fachstelle Sexualisierte Gewalt